Informationen des Amtsarztes zur Impfung gegen Sars-Cov-2

9. August 2021

Altenburger Land. Leider ist die Pandemie noch nicht vorbei, und die Infektionszahlen beginnen wieder zu steigen. In den westlichen Bundesländern und im westlichen Ausland ist dies schon gut sichtbar. Hier im Osten der Republik wird diese Entwicklung wahrscheinlich mit wenigen Wochen Verzögerung ebenfalls einsetzen. Die ersten Steigerungen sind bereits erkennbar.

Seit Ende letzten Jahres gibt es Impfstoffe gegen das neuartige Coronavirus Sars-Cov-2, mit denen auch schon viele Menschen geimpft wurden. In der BRD sind inzwischen 52,6 % der Menschen vollständig geimpft, in Thüringen 51,8 %, im Altenburger Land 46,2 % (Stand 03.08.2021). Das heißt aber, dass umgekehrt 50 % der Menschen noch keinen Impfschutz haben.

Die COVID-19 Erkrankung hat nichts von ihrer Gefährlichkeit eingebüßt. Es sterben etwa 2,4 % der Infizierten und ungefähr 10 % der Infizierten erkranken mit langwierigen Symptomen, wie Schwäche, Denkstörungen, Luftnot etc. bis hin zur Arbeitsunfähigkeit (so genanntes „Long COVID“).

Die neue Delta Variante (B 1.617.2), die zunächst in Indien zu furchtbaren Verhältnissen geführt hat, hat sich auch in Europa, und in Deutschland und auch bei uns im Altenburger Land verbreitet. Deutschlandweit sind etwa 84 % der neuen Infektionen auf diese Variante zurückzuführen. Diese Variante ist wesentlich ansteckender als die bisherigen, erreicht viel schneller und einige Tage vor Symptombeginn bereits hohe Viruskonzentrationen im Rachen.

Die einzigen Maßnahmen, die helfen können, sich gegen dieses tückische Virus zu schützen sind:
- Mund-Nasen-Schutz, Händehygiene, Abstand halten, Lüften
- sowie Impfungen.

Hier bestehen aber für viele Bürger noch Unsicherheiten bezüglich der Impfstoffe, ihrer Wirkungsweise und ihrer Nebenwirkungen. Aktuell gibt es zwei Gruppen von Impfstoffen gegen das Sars-Cov-2 Virus, nämlich erstens die Messenger RNA (mRNA) Impfstoffe (von BioNTech/Pfizer und von Moderna) sowie zweitens die Vektorvirusimpfstoffe (von AstraZeneca und von Johnson & Johnson).

In allen Fällen richtet sich die Impfung gegen das so genannte Spike Eiweiß des Sars-Cov-2- Virus, mit dem sich das Virus an die Oberflächen der menschlichen Zellen anheftet. Dazu muss dieses Eiweiß zunächst dem Immunsystem gezeigt werden. Dies lässt sich erreichen indem man (a) das Eiweiß selbst spritzt, (b) ein abgeschwächtes Virus spritzt, (c) ein anderes (harmloses) Virus spritzt, welches aber die Information (den Bauplan) über das Eiweiß in sich trägt (Vektorvirus; AstraZeneca; Johnson & Johnson) oder (d) direkt den Bauplan (als mRNA) in kleine Fettpartikel gepackt spritzt (BionTech/Pfizer; Moderna).

Versuche mit reinen Eiweißimpfstoffen (a) oder mit abgeschwächten Viren (b) waren bei Sars-Cov-2 bislang nicht erfolgreich, werden aber noch weiter untersucht. Aktuell sind Vektorvirusimpfstoffe (c) und mRNA Impfstoffe (d) im Einsatz.

Zu diesen Impfstoffen soll hier ein kurzes Profil gegeben werden:

mRNA-Impfstoffe
(Comirnaty® von BioNTech / Pfizer und Spikevax®, ehemals COVID-19 Vaccine Moderna® von Moderna)

Bei diesen wird der Bauplan für das Spike Eiweiß gespritzt, von körpereigenen Zellen aufgenommen und diese beginnen dann für einige Tage dieses Eiweiß zu bauen und auf ihrer Oberfläche dem Immunsystem zu zeigen. Dadurch entstehen dann Antikörper und Gedächtniszellen gegen das Spikeprotein, wobei zu diesem Zweck die Impfung nach x Wochen wiederholt werden muss. Wahrscheinlich ist – zumindest in einigen Gruppen von Menschen – nach sechs bis zwölf Monaten eine Auffrischung notwendig.

Die mRNA verbleibt dabei in der Zellflüssigkeit bis sie innerhalb weniger Tage abgebaut wird. mRNA wird nicht (!) in den Kern aufgenommen, da es dafür keine Transporter gibt, und kann auch nicht in das Erbgut der Zelle eingebaut werden. Dazu wäre eine reverse Transkriptase notwendig, die der Mensch aber nicht besitzt. Das heißt, die Sorge, durch die Impfung könnte das Erbgut verändert werden, ist unbegründet.
Auch enthält dieser Typ von Impfungen keine vermehrungsfähigen Viren. Es kann also niemand durch die Impfung angesteckt werden.

Der Impfstoff wird in den Oberarmmuskel gespritzt und muss zweimal verabreicht werden. bZwischen der 1. und 2. Impfung sollten 3 bis 6 Wochen (Comirnaty®) bzw. 4 bis 6 Wochen (Spikevax®) liegen.

Wenn die erste Impfung mit einem Vektorvirusimpfstoff erfolgt ist, kann als Zweitimpfung nach > 4 Wochen auch ein mRNA Impfstoff verwendet werden. Die Schutzwirkung ist genauso gut.
Nach durchgemachter Erkrankung reicht eine einfache Impfung etwa sechs Monate nach der Genesung aus.

Die Wirksamkeit liegt bei Personen ab 16 Jahren (Comirnaty®) bzw. bei Personen ab 18 Jahren (Spikevax®) bei 95 %, was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken, bei einer vollständigen Impfung um etwa 95 % geringer ist als bei den nicht geimpften Personen. Ebenso werden zu etwa 85 % schwere oder tödliche Verläufe vermieden.

Comirnaty® ist für Personen ab 12 Jahren zugelassen. Spikevax® ist für Personen ab 18 Jahren zugelassen. Die STIKO (ständige Impfkommission) empfiehlt die Impfung gegen COVID-19 für Personen ab 18 Jahren.

Delta-Variante: Auch gegen die Delta Variante sind die mRNA Impfungen wirksam. Eine vollständige Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin verhindert zu 88 % eine symptomatische Erkrankung bei einer Infektion mit der Delta-Variante (nach anderen Daten sogar bis 96 %).

Nebenwirkungen:
Die häufigsten Nebenwirkungen beruhen auf der Aktivierung des Immunsystems durch den Impfstoff. Dazu gehören: Rötung, Schwellung, Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, Durchfall. Diese treten bei den mRNA Impfstoffen bei der zweiten Impfung meist etwas stärker auf als bei der ersten.
Seltene, bzw. sehr seltene Nebenwirkungen sind eine Autoimmun-Herzmuskelentzündung bei Männern unter 30 Jahren (Häufigkeit: 1:130.000), Herzbeutelentzündung (1:125.000), allergische Reaktionen (bis 0,1 %). Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Herzmuskelentzündung bzw. Herzbeutel- entzündung auch in der ungeimpften Bevölkerung mit 1:100.000 und mehr auftritt.

Kinder:
Für Kinder wird die Impfung aktuell noch nicht von der STIKO empfohlen, außer bei Kindern mit einem hohen Risiko für schwere COVID-Verläufe (durch schwere Vorerkrankungen). Hintergrund hierzu ist, dass es noch zu wenige Daten zur Sicherheit der Impfstoffe bei Kindern gibt. Die größte Studie (aktuell bei der FDA vorliegend) umfasst Beobachtungen an 1.100 Kindern. Damit lassen sich keine Vorhersagen über eine Sicherheit auf dem Niveau 1:100.000 machen. Man muss wissen, dass sich das Immunsystem kontinuierlich vom Kindesalter bis zum Erwachsenenalter ändert, wobei bestimmte Zellsorten (z. B. ILC2) abnehmen und die Bedeutung bestimmter Regulationswege sich ändert. Dadurch reagieren Kinder auf Impfungen aber auch auf Krankheiten anders als Erwachsene. Letztlich sieht man dies ja auch bei COVID, welches bei Kindern meist nur leichte Verläufe verursacht, bei Erwachsenen aber nicht selten tödlich endet. Daher muss für die Empfehlung einer Impfung für Kinder eben in dieser Altersgruppe (a) das Risiko der Erkrankung und (b) das Risiko der Impfung bestimmt werden. Die Werte für Erwachsene lassen sich nicht einfach übertragen.

Schwangere:
Die STIKO empfiehlt die generelle Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht – unabhängig von der Art des COVID-19-Impfstoffes. In Einzelfällen mit hohem COVID-Risiko kann es nach Entscheidung des Arztes unter Umständen angeboten werden.


Vektorvirusimpfstoffe
(Vaxzevria® von AstraZeneca; COVID-19 Vaccine Janssen von Johnson & Johnson)

Bei Vaxzevria® handelt es sich um ein Schimpansen-Adenovirus, der das SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein (ChAdOx1-S) kodiert, nicht weniger als 2,5 × 108 infektiöse Einheiten (IE). Der Impfstoff ist ab 18 Jahren zugelassen, wird von der STIKO aber derzeit nur für Personen > 60 Jahren empfohlen.

Das Prinzip dieser Impfstoffe ist, dass ein infektionsfähiges, gut bekanntes Trägervirus gentechnisch so verändert wird, dass es die Information für das Sars-Cov-2-Spike Eiweiß trägt. Wenn nun eine Körperzelle mit diesem Virus infiziert wird, beginnt sie dieses Spikeeiweiß herzustellen, und damit das Immunsystem anzuregen, Antikörper und Gedächtniszellen zu bilden.

Das verwendete Schimpansen Adenovirus ChAdOx1 kann sich nicht vermehren, stirbt also kurze Zeit nach der Impfung ab.

Die Viren geben ihre DNS an den Zellkern ab, dort wird diese dann in eine mRNA umgeschrieben, und an die Zelle abgegeben, wo danach das Spikeprotein hergestellt wird. Die Virus-DNS wird aber nicht (!) in das Erbgut eingebaut, sondern liegt frei im Kern, bis es wieder abgebaut wird. Auch hier wird also nicht das menschliche Erbgut verändert.

Der Impfstoff Ad26.COV2.S (COVID-19 Vaccine Janssen) von Johnson & Johnson verwendet ein selteneres, beim Menschen nicht vorkommendes Adenovirus Ad26, welches sich ebenfalls nicht vermehren kann und schützt zu > 80 % vor schweren Verläufen.

Während Vaxzevria® 2-mal im Abstand von 4 - 12 Wochen gegeben werden muss, wird der Impfstoff von Johnson & Johnson nur einmal gegeben.

Wirksamkeit:
Beide Vektorimpfstoffe schützen gut vor COVID-19 (> 80 %).

Delta-Variante: Auch gegen die Delta Variante sind die Impfstoffe wirksam, und zwar zu 67 % (Infektionen), schwere Verläufe werden zu 92 % verhindert (AstraZeneca), bzw. 85 % (Johnson & Johnson).

Nebenwirkungen:
Die häufigsten Nebenwirkungen sind die typischen Reaktionen nach Impfungen (siehe vorherige Seite). Daneben gibt es seltene bis sehr seltene Nebenwirkungen wie Hirnvenenthrombose (Vaxzevria®: Häufigkeit etwa 1:1.000.000), Guillain-Barré-Strohl-Syndrom (Schädigung von Nervenzellen durch das eigene Immunsystem. Symptome sind Schmerzen, Taubheitsgefühle und Muskelschwäche; 108 Fälle insgesamt; ob Zusammenhang mit Impfung noch unklar; sehr selten), Kapillarleck Syndrom (bis April: 5 Fälle in Europa).

Kinder:
Für Kinder sind die Vektorvirusimpfstoffe nicht zugelassen.

Schwangere:
Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in der Schwangerschaft liegen aktuell limitierte Daten vor. Die STIKO empfiehlt die generelle Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht.


Fazit

Wenn man über eine Impfung nachdenkt, muss man sich also fragen, wie hoch ist das Risiko an COVID-19 zu sterben, wenn man sich infiziert (2,4 %) oder einen langen Verlauf zu haben (Long COVID ca. 10 %) und dem das Risiko schwerer anhaltender Nebenwirkungen durch die Impfungen gegenüberstellen (1:100.000 und seltener). Demnach überwiegt der Nutzen der Impfung deutlich das Risiko. Nur bei Kindern fehlen hierzu bislang noch ausreichende Daten.

Es ist dringend geboten, dass sich so viele Menschen wie möglich noch impfen lassen, damit nicht wieder so viele schwere Krankheiten und Todesfälle zu verzeichnen sind wie letztes Jahr. Die Impfungen sind das einzige Mittel wie alle aus dieser Pandemiesituation wieder herauskommen können und die vierte Welle für unseren Landkreis abgeschwächt werden kann.


Anmerkung: Da die Prozentzahlen aus unterschiedlichen Studien stammen, geben diese nur eine ungefähre Zahl an, lassen aber keinen direkten 1:1 Vergleich der Wirkstoffe zu.

Prof. Dr. Stefan Dhein,
Amtsarzt, Leiter Fachdienst Gesundheit